Swinemünde ist ein immer attraktiver werdendes Ostseebad. Nicht nur die Moderne ergreift Besitz von dieser Stadt. Aufmerksamkeit findet gleichsam ihre Historie. Für die Akteure dieses Genres – oft Privatpersonen – ist das aus materieller Sicht eine Herausforderung. Dennoch sind in den vergangenen Jahren in engagierter Kleinarbeit die drei historischen Forts für Besucher zugänglich gemacht geworden.
Die Westbatterie
Die Westbatterie (Fort Zachodni) liegt am nordöstlichen Stadtrand, direkt an der Swine. Es ist ein 1856–1861 gebautes preußisches Fort, welches einst in Verbindung mit anderen Festungen der Verteidigung der Stadt und ihres Hafens diente.
Die ursprünglich kleine Anlage wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vergrößert und Garnison für eine Küstenbatterie. Wälle, betonierte Geschützstellungen, sowie Munitions-, Lager- und Mannschaftsräume bestimmten das Bild. Nach dem 1. Weltkrieg wurde die Anlage ab- und vor dem 2. Weltkrieg erneut aufgerüstet. Marine- und Infanteriesoldaten bildeten die Festungsbesatzung. Anfang 1945 nahm das Fort aktiv an den Kämpfen um Stettin und Swinemünde teil. Danach zerstörten die Besatzungen die Waffen und ließen sich über die Ostsee evakuieren. Nach dem Krieg nutzte das sowjetische Militär die Westbatterie. 1962 wurde sie der Stadt übergeben. Lange war es still um alle Forts. Dort vorhandene Materialien fanden „private“ Verwendung.
Nach 1990 machte man sich Gedanken um ihre Restauration und kommerzielle Nutzung. Dank des Engagements des Vereins der „Festungsfreunde Westbatterie“ und trotz Geldmangels wurden Teile der Westbatterie wieder hergestellt und so sicher zugänglich gemacht, dass man heute unbeschwert die gepflegte Anlage besichtigen kann. Pächter und kompetenter Reiseführer (auch in deutscher Sprache) ist Piotr Laskowski. Er hat der Anlage nicht nur weitestgehend ihr Gesicht zurück gegeben, sondern am Eingang ein kleines Museum geschaffen, in welchem militärische und zivile Gegenstände und Ausrüstungen aus dem Fort, der Preußenzeit, der Zeit des 2. Weltkrieges und des Kalten Krieges besichtigt werden können. Zur Westbatterie gelangt man mit dem PKW vorbei am Nordhafen, mit dem Bus vom Grenzübergang Ahlbeck zum Hafenkapitänsamt (Kapitanat Portu) und zu Fuß oder mit dem Fahrrad entlang der Promenade.
Die Engelsburg
Die Engelsburg (poln.: Aniola) liegt am nordöstlichen Stadtrand, gleich der Westbatterie unmittelbar am Swineufer. Es ist ein in den Jahren 1854–1858 gebautes Fort und diente der landseitigen Verteidigung der Stadt und ihres Hafens. Seine ursprüngliche Bezeichnung „Werk III“ wurde in Engelsburg geändert, weil es dem Mausoleum des römischen Kaisers Hadrian und einem späteren päpstlichen Sitz auffallend ähnlich war. Die Konstruktion besteht aus einem dreistöckigen Rundbau (Rotunde) mit Beobachtungsturm und Terrasse. An den äußeren Wänden befinden sich Schießscharten für Geschütze kleineren Kalibers und Handfeuerwaffen. Umgeben ist die Befestigungsanlage von bis 1863 errichteten Erdwällen sowie einem doppelten Wassergraben und einem stabilen, schützenden Tor. Danach entstanden mehrere Bunker für Feldgeschütze, Munitionsräume sowie Schutzräume für die Mannschaften. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestand die Festungsbesatzung aus Infanteristen und Artilleristen.
Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte der Anschluss der Anlage an das Nachrichtennetz. Während des 1. Weltkrieges war die Engelsburg durch eine Schmalspurbahn mit anderen Festungen verbunden, die Bedeutung als Objekt für kämpfende Einheiten ging jedoch verloren. Zwischen den beiden Weltkriegen erfolgte die Installation von technischen Anlagen, die Schutz vor chemischen Waffen bieten sollten. Der Turm diente nun vor allem Maßnahmen der Luftabwehr. Nach 1945 erfolgten durch die in Swinemünde stationierten sowjetischen Truppen Umbauten für den Aufbau von Funk- und Radaranlagen. Heute ist die Engelsburg ein Ort friedlichen Miteinanders der zahlreichen Besucher. Außer den Besichtigungsmöglichkeiten bis auf die Terrasse hinauf bieten die Pächter Elzbieta und Piotr Kosmider ihren Gästen Grillfeste am Lagerfeuer, Musikabende, Ausstellungen und andere kulturelle Events vor historischer Kulisse an.
Besonders reizvoll sind abendliche Veranstaltungen im wieder hergestellten rustikalen Kaminraum der Festung. Für derartige Veranstaltungen kann man sich bei den Pächtern die Räumlichkeiten auch mieten. Ein Besuch der Engelsburg lässt sich gut mit dem Besuch der Westbatterie verbinden. Zur Engelsburg gelangt man mit dem PKW vorbei am Nordhafen, mit dem Bus vom Grenzübergang Ahlbeck zum Hafenkapitänsamt (Kapitanat Portu), zu Fuß/mit dem Fahrrad entlang der Promenade oder über den mit R 10 markierten Radweg durch die Stadt.
Das Fort Gerhard
Das Fort Gerhard – wegen seiner Lage auf der östlichen Seite der Swine auch Ostbatterie genannt – wurde 1856 bis 1863 zur Verteidigung vor feindlichen Angriffen von der Seeseite her errichtet. Die zweistöckige Konstruktion der Anlage ist oval, sie wurde nach ihrer Fertigstellung zum eigenen Schutz mit einem Wassergraben umgeben. Der Haupteingang und der Hof des Forts waren deshalb nur über eine Zugbrücke erreichbar. Seit Anfang der 1880er Jahre galt sie als eine befestigte Küstenbatterie mit entsprechender artilleristischer Ausstattung und den dazu gehörigen Unterständen. In der so genannten westlichen Artilleriereihe und der östlich in der Festung gelegenen Artilleriestellung waren insgesamt zehn Unterstände für Geschütze vorgesehen.
Letztlich realisiert wurde allerdings nur die Aufstellung von vier Küstengeschützen des Kalibers 210 mm. Die waffentechnische Ausstattung wurde später komplettiert durch Feldartillerie und Maschinengewehren. Unterirdische Bunkeranlagen verbanden die südlichen und nördlichen Stellungen mit dem Innenhof. Ende des 19. /Anfang des 20. Jahrhunderts erhielt das Kampfobjekt Anschluss an das Nachrichtennetz, elektrischen Zugang sowie einen Anschluss für die Schmalspurbahn. Die ursprüngliche Besatzung bestand aus einem Bataillon Infanterie und Artillerie.
Nach Ende des 1. Weltkrieges übernahm die Kriegsmarine die Anlage. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges erfüllte es Ersatz- und Hilfsaufgaben. Danach und bis Anfang der 1960er Jahre wurde es durch sowjetische Truppen genutzt. 1962 übernahm die Stadt Swinemünde das Fort, welches nie an Kampfhandlungen teilgenommen hatte. Pächter Piotr Piwowarczyk und die Wissenschaftliche Stiftung Karl Estraicher führen heute die zahlreichen Besucher durch eine interessante historische teilweise gut rekonstruierte Anlage, die sich sehen lassen kann.
Mit Geduld, Kreativität und fachlichem Wissen der Verantwortlichen ist das Fort wieder so hergerichtet, dass man als Besucher viele Ereignisse aus vergangenen Jahrhunderten nachvollziehen oder sogar hautnah erleben kann. Zum Fort gelangt man am besten per Auto oder Fahrrad mit Hilfe der Stadtfähre. Am Ostufer der Swine ist der Weg zur Festung ausgeschildert.
Text und Fotos (2): Gerhard Buchheister, Foto (1): nordlicht verlag
(aus Greifswald KOMPAKT, Ausgaben 5, 6 und 7/2007)
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